AHLSDORF

Rückblick und Ausblick

Als Chefredakteur eines Rocker-Magazins

Als einstiger Chefredakteur des Rocker-Magazins „Bikers News“ brachte ich es zu einer gewissen Prominenz. Die Ereignisse hatten mir dabei wohl geholfen. Ich übernahm die Leitung der Bikers News-Redaktion als Nachfolger von Doc Baumann in genau dem Jahr, in dem der Bones MC zum Hells Angels MC übertrat und eine Woche später der Ghostrider's MC zum Bandidos MC. Das war das Jahr 1999, und damit begann in Deutschland das, was in Politik und Boulevard-Medien gerne „Rockerkrieg“ genannt wird.

 

Mein Posten zwischen den Fronten wurde ein ziemlich heißer Stuhl. Vielleicht hatte ich einfach nur Glück, dass mich keine Umstände zwangen, ihn zu verlassen. Erst zum Ende des Jahres 2015 trat ich aus freien Stücken zurück und überließ den Platz meinem Kollegen Tilmann Ziegenhain.

 

Das Jahr war kein Zufall. In der Mitte des Jahres 2015 hob der Bundesgerichtshof das bundesweite Colour-Verbot auf. Bandidos MC, Gremium MC und Hells Angels MC durften ihre Abzeichen wieder in der Öffentlichkeit tragen, bis eine Änderung des Gesetzes ihnen das Tragen ihrer Abzeichen im Jahr 2017 wieder verbot.

 

Mit der kurzfristigen Aufhebung des Colour-Verbots im Jahr 2015 ging ein Aufatmen durch die Szene. Alle schienen verstanden zu haben, und in der Rocker-Szene schien Frieden einzukehren. Das wiederum schien für mich der rechte Zeitpunkt zu sein, die Chefredaktion ohne Not abzugeben. Die turbulenten Ereignisse zweier Jahrzehnte hatten auch an meiner Kondition gezehrt, und als Chefreporter wollte ich ab dem Jahr 2016 einfach nur noch Storys schreiben.

 

Schließlich teilten Tilmann und ich uns die Redaktion in dem letzten Jahren. Wäre mein geschätzter Tilmann nicht mein Kollege gewesen, so wäre er mein Freund. Aber auch gemeinsam konnten wir nichts gegen die sinkenden Verkaufszahlen der Bikers News im Wettlauf mit dem kostenfreien Internet tun. Unser Verlag ging im Jahr 2020 in die Insolvenz und existierte seit dem 1. Juli 2020 nicht mehr.

 

Ehemalige Kollegen haben einige der Zeitschriften unseres Verlages unter dem neuen Label Garage21 wieder ins Leben gerufen. In deren Redaktion darf ich seitdem mitarbeiten. Es geht dort nicht mehr um Rocker, aber immerhin um Motorräder.

 

Als Philosoph unter Rockern

 

 

Nun aber zu meiner Prominenz. Ich war natürlich nur ein C-Promi in einer Subkultur. Sie brachte mich immerhin als Sachverständigen am 12. Dezember 2016 in den Innenausschuss des Bundestages, als dort über das Colour-Verbot debattiert wurde. Mit meiner dort vorgetragenen Stellungnahme konnte ich die Verschärfung des Vereinsgesetzes und das endgültige Verbot der Abzeichen nicht verhindern. Die politischen Mehrheiten für ein Verbot der Abzeichen einiger Rockerclubs standen bereits vorher fest.

 

Wegen meiner Bekanntheit kamen die bürgerlichen Medien immer wieder mit Interview-Anfragen auf mich zu. Nebenher stellten sie mir meistens eine typische Frage: Wie kommt man als promovierter Philosoph und Theologe ausgerechnet in die Rocker-Szene?

 

Nun, die Liebe zur Technik und zum Motorrad sind das eine. Ebenso empfinde ich eine intensive Affinität zu Bünden und Bruderschaften. Und dann lesen Sie bitte sorgfältig das Thema meiner Dissertation, ich nenne deren Titel absichtlich so ausführlich: „Nietzsches Juden. Die philosophische Vereinnahmung des alttestamentlichen Judentums und der Einfluss von Julius Wellhausen in Nietzsches Spätwerk“

 

Wer sich mit der Materie ein wenig auskennt, wird wissen, dass es bei diesem Thema um die große Frage geht, wie Menschen sich selbst ein Glaubensgebilde zusammenzimmern können. Auch Rocker-Clubs sind in vielerlei Hinsicht religiös aufgeladene Institutionen, auch ein Motorcycle Club (MC) ist ein freigewähltes Glaubensgebilde, das im Idealfall ein ganzes Leben besteht. Bürgerliche Ehen halten in der Regel nicht so lange, Religionen auch nicht mehr unbedingt.

 

Unter Menschen, deren Leben gänzlich unter Namen und Farben ihres Clubs steht, habe ich nun mehrere Jahrzehnte meines eigenen Lebens führen dürfen. Ich werde diese Jahrzehnte nie vergessen und bin dankbar für die große Gnade, unter solchen Menschen gelebt zu haben, deren Universum so bunt und so schillernd ist, wie ein Außenstehender es sich nicht vorstellen kann. Ich habe die faszinierendsten und die durchgeknalltesten Typen kennen und lieben gelernt. Und ich bin noch immer in ihrer Szene unterwegs und freue mich, dass die Jungs mich nicht vergessen, auch wenn ich seit der Insolvenz unseres Verlages kaum mehr professionell für sie tätig sein kann.

 

 

Weitere Leidenschaften

 

 

Übrigens liebe ich neben Rockern, Motorrädern und meinen beiden Kindern noch ein paar andere Dinge: Die Philosophie, die Literatur, die Militärgeschichte und die Musik, gerne die zwölftönige. Wer meine Qualifikationen zu einem dieser Themen in Anspruch nehmen will, den lade ich ein, sich über diese Seite an mich zu wenden.

 

 

Am 12. Dezember 2016 auf der öffentlichen Anhörung im Innenausschuss des Bundestages zum Thema der Abzeichenverbote von Rocker-Clubs (Foto: Walczak)

Im Jahr 2019 auf einer Demonstration der Hells Angels. Das entfaltete Support-Shirt ist Gegenstand der Verhandlungen über die Abzeichenverbote (Foto: Rilz)

Die Bikers-News-Redakteure Ahlsdorf und Ziegenhain vor den Trägern der Abzeichen, über deren Verbot im Winter 2016/2017 verhandelt wird (Foto: Walczak)

Im Interview mit dem Presidenten der

Stuttgarter Hells Angels

Im Interview mit den Presidenten der

deutschen Bandidos

Unterwegs, auch mal auf den Spuren der Fernsehserie "Hubert und Staller"

Hier die komplette Anhörung im Innenausschuss des Bundestages zur Verschärfung des Vereinsgesetzes (Quelle: https://dbtg.tv/cvid/7040799)

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